Hunde aus dem Auslandstierschutz sind in Deutschland kaum mehr wegzudenken. Der Hundeschulalltag zeigt regelmäßig die Sonnen- aber auch die Schattenseiten des Zusammenlebens eines (vermeintlich?) „geretteten Auslandshundes“.
Was sollte man beachten und sich VORHER überlegen?!
Die meisten Menschen treffen diese Entscheidung, um einem in Not geratenen Hund zu helfen. Dieser Gedanke ist sehr nachvollziehbar! Aber wie in allen Themenbereichen sollten auch bei einem Hund aus dem Ausland diverse Fragestellungen beachtet werden.
Auf gar keinen Fall sollte man einen Hund lediglich aufgrund eines mitleiderregenden oder gar niedlichen Fotos oder Filme, bewegender Beschreibungen im Internet, direkt aus dem Ausland importieren lassen. Das machen leider sehr viele! Denn die „Tierschützer sind sehr nett… haben dieses und jenes über den Hund gesagt… usw. usf.“ höre ich des Öfteren am Telefon. Und nun ist er da, aus dem Internet „bestellt“ der Auslandshund… und Mensch und Hund sind nicht selten überfordert und stoßen u. U. massiv an Grenzen! Da muss ich inzwischen am Telefon oder im Termin dreimal tief durchatmen und innehalten bevor ich rede. Aufgrund eines Fotos oder einer vagen Beschreibung kann nicht beurteilt werden, ob dieser Hund zum einen in das künftige Lebensumfeld passt oder er sich wirklich durch eine Umsiedlung wohl fühlen wird bzw. überhaupt anpassen kann! Sehr viele Hund mit „Migrationshintergrund“ können sich in unser Umfeld hervorragend einpassen. Es gibt jedoch schlicht und einfach auch Hunde, deren Anpassungsleistung durch den Import vollkommen überfordert wird! Das ist KEIN Tierschutz! Es gibt seriöse und fachkundige Tierschutzvereine, die im Auslandstierschutz tätig sind. Die Kehrseite davon: Es gibt auch viele Tierschutzorganisationen, die häufig durch Mitleid und Emotionalität geleitet handeln und nicht die nötige Kompetenz und Sachwissen besitzen. Dies herauszufiltern und zu beurteilen, gestaltet sich für einen Laien sehr schwierig. Ein Muss:
- Der Hund befindet sich auf einer Pflegestelle in Deutschland und es besteht die Möglichkeit diesen mehrfach zu besuchen und kennenzulernen, um selbst ein „Gespür“ für den jeweils ausgewählten Hund zu bekommen
- Der Interessent wird bei einer Entscheidung gegen den Hund NICHT verurteilt
- Der Interessent bekommt die Eigenschaften des Hundes umfänglich und unverblümt beschrieben
- Die Einfuhrbestimmungen wurden eingehalten. Der Hund ist geimpft und tierärztlich belegt untersucht
- Die Organisation ist Ansprechpartner und hilft bei möglicherweise auftretenden Schwierigkeiten und kann ggf. an fachkundige Stellen empfehlen
- Die Organisation hat genügend Pflegestellen im Hintergrund einen vermittelten Hund im Notfall wieder zurückzunehmen
- Im Tierschutz Tätige sollten sich zum Thema Hundeverhalten fundiert weitergebildet und Sachkenntnisse erworben haben. Nicht jedem Hund im Ausland geht es schlecht!!! Viele haben sogar Besitzer.
- Die sogenannten, möglichen „Reisekrankheiten“ des Herkunftslandes sollten dem Tierschutzverein bekannt sein. Der Halter sollte hierüber sachkundig aufgeklärt werden können
- Verhaltensweisen eines Hundes sollten sachlich beschrieben werden können. Nicht alle Verhaltensweisen eines Hundes resultieren aufgrund vermuteter Misshandlungen oder schlechter Erfahrungen
- Die jeweilige Tierschutzorganisation unterstützt VOR ORT Verhältnisse zu verbessern
- Kaufen Sie keinen Hund aus dem „Kofferraum eines Autos“ heraus! Hier steckt Geldmacherei dahinter! Sie unterstützen nicht das Tierwohl, sondern die Machenschaften unseriöser und skrupelloser Verkäufer!
- Abzuraten ist die Anschaffung von Wurfgeschwistern gleichen Geschlechts! Es ist nicht selten, dass die Tiere mit Einsetzen der Geschlechtsreife nicht mehr miteinander klarkommen
- Kastration des Tieres sollte eine Individualentscheidung sein und keine Pauschalhandlung! Auch im Tierschutz!
Ist Auslandshund gleich Auslandshund? Nein! Ganz sicher nicht! Das Herkunftsland spielt eine enorm bedeutende Rolle! Hunde entwickeln Verhaltensweisen u. a. in Anpassung und unter Einfluss an Umweltgegebenheiten und das Lebensumfeld, in das sie hinein geboren werden. Diese Anpassungsmöglichkeit gibt ihnen die Fähigkeit in ihrem Lebensumfeld sich zurecht zu finden und sichert das Überleben in den jeweiligen Gegebenheiten (Klima, Nahrungsangebot, Ressourcen, Umfeld,…). Für einen Hund aus Rumänien ist dies ein anderes als aus Spanien. Auch kulturelle Gegebenheiten wirken auf Verhaltensentwicklungen ein. Exotisch und fragwürdig sind der Import aus fernen Ländern wie Dubai, Thailand, Südafrika etc. Hunde werden dort für unterschiedliche Arbeitsgebiete eingesetzt und haben andere Haltungsbedingungen erfahren als das bei uns der Fall ist. Das muss nicht immer zwangsläufig schlecht sein! Ein komplett anderes Leben, veränderte Umgebungs- und Lebensbedingungen in hiesigen Verhältnissen und eine mögliche Überforderung der Anpassungsfähigkeit des Hundes kann hieraus resultieren.
Häufig genug wird Hunden aus dem Ausland eine bestimmte Rasse untergeschoben bzw. ein Rassemix kreiert. Dies rührt meist auf einer Vermutung, wenn der Hund optisch einer Rasse ähnelt. Hier kommt es häufig zu Fehleinschätzungen! Wer dann einen Labradormischling erwartet und einen Hund mit Wacheigenschaften bekommt, wird vermutlich enttäuscht sein. Was, wenn es doch kein Boxermischling aus Spanien ist, sondern ein Presa Canario oder ein Herdenschutzhund aus Griechenland mit entsprechenden Eigenschaften oder ein eigenständig agierender, freiheitsliebender an das Straßenleben angepasster Streuner…? Echt gerettet?!
Wer einen Hund aus dem Ausland beabsichtigt zu holen, sollte genau hinschauen und sich VORHER umfassend informieren.
Buchempfehlungen:
- Stefan Kirchhoff: Streuner! Straßenhunde in Europa
- Kate Kitchenham (Hrsg.): Streuner – HUNDE
- Dr. Udo Gansloßer (Hrsg.): Hunde aus dem Ausland
- Günther Bloch (DVD): Die Pizza-Hunde
Lesenswerte Artikel:
- Sophie Strodtbeck: → „Merhaba!� Auslandstierschutz: Mitleid allein ist zu wenig!“