Gedanken an und über Hunde und Menschen an einem regnerischen Tag im Mai
An einem freien, regnerischen Tag wie heute, kommen so manch traurige Gefühle und Gedanken. Man könnte sagen, „Nebenwirkungen“ eines eigentlich erfüllenden und Freude bereitenden Berufs, wie dem meinen. Neben den schönen Momenten bin ich manchmal auf traurig, fassungslos, sprachlos oder auch wirklich wütend. So zum Beispiel, wenn ich erlebe, wie krank viele Rassehunde durch unsere Hundezucht sind. Da fällt mir eine Rasse ein, die besonders häufig bei mir im Training ist: der Rottweiler! Von den vielen Rottis, die die Hundeschule besucht haben, sind bisher sage-und-schreibe nur zwei davon gesund! Das geht los mit Kreuzbandrissen in den ersten eineinhalb Lebensjahren, weiter mit HD und/ oder ED, Bluterkrankheit bis hin zu Epilepsie. Und die Krankheitspalette in einem Alter von Junghunden, die noch nicht mal 2 Jahre alt sind. Der Rottweiler, ein ursprünglich nervenstarker, gesunder Hund! Und eine tolle Hunderasse, wenn auf Gesundheit UND Charakter in der Zucht geachtet wird! Weitermachen kann ich mit der Rasse Labrador Retriever, der Deutsche Schäferhund, Dobermann, sämtliche Winzlingszuchten wie Chihuahua und ganz zu schweigen von den kurznasigen Modehunden Französische Bulldogge, (Retro-)Mops und Co. WAS TUN WIR UNSEREN HUNDEN AN!!! Weil’s schön ist, weil’s niedlich ist, weil’s… Ja, ja, ich weiß, es gibt auch gute Züchter, die eine sehr durchdachte Zucht mit viel Erfahrung betreiben und fundiertes, genetisches Hintergrundwissen haben. Es sollten, nein müssen, mehr werden! Und die Hundezucht sollte eine sehr kritische Überprüfung durchlaufen, mehr als bisher üblich und auch reglementiert werden!
Von der Entscheidung „welcher Hund darf’s denn sein?“ noch gar nicht gesprochen. Wir alle haben Vorlieben, die uns ansprechen: Aussehen, Verhalten, Anschaffungsgründe und so weiter. Das darf so sein! Doch passen Mensch und Hund immer so zusammen? Der niedliche Cane Corso Welpe, der dann in der Pubertät vielleicht doch nicht mehr nur niedlich ist in seinem Verhalten und mit dem Erwachsenwerden nicht mehr mit jedem Hund lustig über die Wiesen flitzen wird. Der eben nicht nur geknutscht werden will, sondern ein entsprechendes Gegenüber braucht, das ihn erziehen möchte. Ältere Menschen sollten Hunde haben. Denn sie haben Lebenserfahrung, über die man mit 20, 30 Jahren noch nicht verfügt. Aber muss es mit 70 ohne familiären Rückhalt wirklich noch ein Aussie-Welpe sein? Ja, ja, ich weiß, es geht auch oft gut, da die Familie tatkräftig unterstützt und es diskriminierend klingen mag, auch wenn es nicht so gemeint ist. Und ja, ja, ich weiß, es gibt auch andere Cane Corsos, die einfach nur nett und liebe sind, eben nicht rassetypisch.
Dann sind da ja auch noch die vielen, unüberschaubaren Erziehungskonzepte von Trainern für Hundehalter, die in der Theorie und der Idee nach so gut klingen (ein Schelm, wer Schlechtes denkt). Die Verwirrung ist groß, was denn nun DAS Richtige ist. Da hat Corona doch eine gute Seite gehabt. Nämlich, dass Hundehalter wieder mehr selbst agieren und einfach handeln mussten! So einfach aus dem Bauch raus, auch mal dem Hund eine Grenze setzen ohne sich aufklären lassen zu müssen von einer Trainerin, die erklärt, was nicht gut ist für den Hund und wie man es sicher nicht macht. In mein Wertesystem passt es nicht (mehr) nur lieblich rumzusäuseln und Hunde in ein Brustgeschirr zu verpacken. Das habe ich Jahre lang zum Unding meiner Hunde gemacht. Hunde brauchen keine theoretisch-pädagogischen verkopfte Konzepte. Sie brauchen echte, bodenständige Menschen, die nicht über jeden Furz und jede Regung, die ein Hund von sich gibt nachdenken und überlegen, wie man nun damit umgehen soll. Zum Glück gibt es diese Menschen, die so sind, wie Hunde es mögen!
Ach, da fällt mir noch der Tierschutz ein. Tierschutz = Tierschutz? Nö! Kann gut gemacht sein oder richtig schlimm. Schaue ich in unsere deutschen Tierheime, überfallen mich hoch traurige Gefühle, die nachhallen. Hunde, die im Tierheim landen, nicht nur aus einer menschlichen Notlage heraus als vorübergehender Hort bis ein neuer Mensch gefunden wird. Das wäre ja ein Traum. Nein, da wird an der Tierheimschwelle auch oft „das Problem“ bei den Tierpflegerinnen abgegeben. Man selbst ist es los. Und die, die sich um diese Hunde kümmern, leisten eine schwere Arbeit und müssen täglich aushalten, was andere einfach abgegeben haben. Das will ausgehalten werden: Ein Hund, von dem man weiß, er wird es schwer haben ein neues Zuhause zu finden, das ihm das gibt, was er als hochsoziales Lebewesen braucht. Mir erscheint das schwierig, dann nach Feierabend emotional abzuschalten. Mir tun sie einfach leid, die Staff’s und all die anderen, die aus Prestigegründen über dubiose Kanäle in Hände gelangen, denen sie dann über den Kopf wachsen und bei dem das Wirken des Menschen auch noch Teil an der Geschichte des Hundeschicksals ist. Ja, ja, ich weiß, nicht alle Menschen sind so. Stimmt!
Guck ich doch mal zum Auslandstierschutz. Ein großer Teil meiner Hunde sind bzw. waren aus dem Ausland. Würde ich immer wieder machen! Weil ich weiß, welche Vereine und Tierschutzorganisationen das gut machen und auch können. Ganz viele Auslandshunde passen wunderbar zu uns. Aber was ist mit den anderen, wo es dann doch nicht so passt? Selten? Nö! Da kommt regelmäßig der Anruf mit der ein und selben Story: Ich habe einen Hund aus dem Ausland gerettet und er beißt, pöbelt an der Leine wie irre, lässt niemanden mehr rein, kann nicht gassigehen, weil vor allem Angst… Schön, wenn sich die Thematik auffangen und bearbeiten lässt. Einfach zum Kotzen, wenn nichts mehr geht, der Hund nicht passen will und seine Rettung sich als Albtraum für alle herausstellt. Hat man dann noch einen Verein an der Seite, der nicht weiß wohin mit dem Hund, der dem „anderen Ende der Leine“ alle „Schuld“ zuweist, ist die Betroffenheit groß und die emotionale Belastung enorm. Gerettet? Vielen Dank dafür! Ja, ja, ich weiß, es gibt doch so viele tolle Tierschützer, die nur für die Tiere leben und alles opfern! Diese Art macht mich eher hellhörig und kritisch! Und ich liebe Tierschutzvereine und Tierschützer mit Herz und Verstand – das stimmt wirklich!!! Und es gibt sie auch wirklich!!!
Ist nun alles grau und pessimistisch in meiner Welt? Nein, ganz und gar nicht! Ich liebe was ich tue und kann es mir halt manchmal einfach nicht verkneifen, eine andere Seite zu benennen, statt nur markt- und kundenorientiert mich zu äußern. Also irgendwie… in meinem Alter… mit über 50 Jahren… will ich das auch nicht mehr!